Melatonin kann durch seine antientzündlichen und antioxidativen Eigenschaften anscheinend altersbedingte schädliche Prozesse innerhalb des Auges bremsen oder ihnen sogar teilweise entgegenwirken und so die Sehfähigkeit erhalten. Das legt eine US-amerikanische Studie nahe, die sich mit der Wirkung von Melatonin auf das Auftreten beziehungsweise Fortschreiten einer altersbedingten Makuladegeneration beschäftigt hat.
Was hat die Melatonin-Studie untersucht?
Im Rahmen der Studie analysierte ein wissenschaftliches Team zwischen Dezember 2023 und März 2024 die Gesundheitsdaten zahlreicher Patientinnen und Patienten, um den Nutzen einer Melatonin-Einnahme für das Auftreten und das Fortschreiten der altersbedingten Makuladegeneration (AMD) abzuschätzen.
Dazu gab es zwei Untersuchungsansätze:
a) Menschen ohne AMD
b) Personen mit einer trockenen AMD
Zudem teilten sie die Betroffenen in Altersgruppen ein: 50 Jahre und älter, 60 Jahre und älter sowie 70 Jahre und älter.
Dann schauten die Forschenden, welchen Personen im Zeitraum von Ende 2008 bis Ende 2023 regelmäßig Melatonin verordnet worden war. Anschließend verglichen sie die Anzahl der Menschen, bei denen
a) eine AMD neu aufgetreten war
b) die AMD von der trockenen zur feuchten Form fortgeschritten war.
Ergebnis der Melatonin-Studie
Eine Melatonin-Einnahme scheint sich laut Studie vorteilhaft auf eine AMD auszuwirken:
a) Bei den über 121.000 Menschen ab 50 Jahren ohne eine altersbedingte Makuladegeneration hatten 4.848 Personen regelmäßig Melatonin eingenommen, während die Kontrollgruppe – etwa 116.000 Menschen – kein Melatonin eingenommen hatte.
Dabei war die Einnahme von Melatonin mit einem geringeren Risiko verbunden, eine AMD zu entwickeln.
b) Mehr als 66.200 Patientinnen und Patienten im Alter von 50 Jahren oder älter hatten eine trockene AMD. Davon nahmen 4.350 Personen Melatonin ein, die anderen knapp 62.000 Menschen bildeten die Kontrollgruppe ohne Melatonin.
In diesem Fall war die Melatonin-Einnahme mit einem verringerten Risiko für das Fortschreiten der altersbedingten Makuladegeneration zu einer feuchten Form verbunden.
In den Untergruppen der Personen im Alter von 60 Jahren oder älter und 70 Jahren oder älter ergaben sich entsprechende Ergebnisse.
Mit Melatonin sogar Verbesserung möglich
Bereits im Jahr 2005 hatte eine Studie die positive Wirkung von Melatonin auf die Augengesundheit gezeigt: 100 Patienten mit – trockener oder feuchter Form der – AMD nahmen mindestens drei Monate lang jede Nacht vor dem Schlafengehen drei Milligramm Melatonin ein. Die Nachbeobachtungszeit lag zwischen sechs und 24 Monaten, wobei 55 Patienten mehr als sechs Monate lang beobachtet wurden.
Ergebnis: Nach sechs Monaten Behandlung mit Melatonin war die Sehschärfe der Teilnehmenden allgemein stabil geblieben. Obwohl die Nachbeobachtungszeit nicht lang war, sahen die Fachleute dieses Ergebnis bereits als besser an als der sonst geschätzte natürliche Verlauf bei einer AMD. Signifikante Nebenwirkungen wurden dabei keine beobachtet.
Insbesondere die Veränderungen des Augenhintergrundes waren bei den untersuchten Personen positiv: Nur acht Augen zeigten mehr Netzhautblutungen und sechs Augen mehr Ablagerungen in der Netzhaut. Dagegen waren die krankhaften Veränderungen der Makula mehrheitlich sogar zurückgegangen.
Daraus schlossen die Autorinnen und Autoren der Studie: Die tägliche Einnahme von Melatonin kann die Netzhaut schützen und scheint die Makuladegeneration zu verzögern.
Wirkung von Melatonin im Auge
Die bekannteste Wirkung des körpereigenen Hormons Melatonin ist die Steuerung des Schlaf-Wach-Rhythmus. Deswegen heißt es allgemein „Schlafhormon“. Zudem kann Melatonin antientzündlich wirken.
Aber Melatonin wird nicht nur im Gehirn, sondern auch in der Netzhaut des Auges gebildet. Dort ist seine Funktion, antientzündlich zu wirken und sogenannte freie Radikale abzufangen, also Zellen vor oxidativen Schäden zu schützen. Das scheint besonders für die Pigmentschicht der Netzhaut – das retinale Pigmentepithel (RPE) – wichtig zu sein. Die Pigmentschicht ist für den Sehvorgang notwendig. Funktionsstörungen dieser Schicht sind die Ursache für die Entstehung einer altersbedingten Makuladegeneration.
Daneben kann Melatonin die Pigmentierung des Auges steuern und dadurch die Lichtmenge regulieren, die die Sehzellen erreicht. Intensive Sonneneinstrahlung kann die Sinneszellen ebenfalls schädigen – davor kann eine stärkere Pigmentierung teilweise schützen.
Vermutlich ist der physiologische Rückgang von Melatonin bei älteren Menschen ein wichtiger Faktor für die Entwicklung und das Fortschreiten einer AMD. Melatonin könnte durch seine antientzündliche Wirkung – und damit dem Schutz vor freien Radikalen – das Augengewebe schützen.
Diese Ergebnisse ermutigen zu einer weiteren gezielten Forschung, wie Melatonin die Entwicklung oder das Fortschreiten einer AMD verhindern kann.
Basiswissen
Altersbedingte Makuladegeneration beeinträchtigt Sehvermögen
Die altersbedingte Makuladegeneration (AMD) ist die häufigste Ursache für eine deutliche Sehschwäche bei älteren Menschen. Dabei lagern sich Abfallstoffe in der Netzhaut des Auges ab, schädigen die lichtempfindliche Zellen und verschlechtern das Sehvermögen zunehmend.
Insbesondere im Bereich des schärfsten Sehens und des Farbsehens, der Makula oder des sogenannten Gelben Flecks, macht sich der Sehverlust bei einer AMD bemerkbar. Das bedeutet, Gegenstände und Menschen, auf die man gezielt blickt, können nur noch verschwommen oder verzerrt wahrgenommen werden. Bei weiterem Fortschreiten der Erkrankung werden sie gar nicht mehr gesehen, während Menschen und Dinge an den Rändern des Blickfeldes weiterhin sichtbar sind.
Ist das zentrale Sehen gestört, sind Autofahren, das Erkennen von Gesichtern und Lesen nicht mehr möglich. Die Betroffenen erblinden zwar meist nicht vollständig, bei der schweren Form ist die Sehbehinderung aber so stark, dass auch die Orientierung eingeschränkt ist.
Einteilung der AMD
Unterschieden werden eine trockene und eine feuchte Form der Makuladegeneration:
- Trockene AMD: Im Bereich der Makula bilden sich Abfallstoffe, sogenannte Drusen, und lagern sich ab. Die angesammelten Drusen behindern die Versorgung der Netzhaut, und die lichtempfindlichen Zellen gehen langsam zugrunde. Dadurch kommt es zu einer schleichenden Verschlechterung der Sehkraft. Zudem können Pigmentveränderungen auftreten.
- Feuchte AMD: Aus einer trockenen AMD kann eine feuchte Makuladegeneration entstehen: Wenn die Netzhautzellen im Bereich der Makula nicht mehr ausreichend versorgt werden, bilden sich neue Blutgefäße. Diese können jedoch in die Netzhaut einwachsen und sie anheben oder undicht werden und Flüssigkeit verlieren. In die Netzhaut sickerndes Blut und Flüssigkeit können die Zellen schädigen und für ein rasches Fortschreiten der Erkrankung sorgen.
Ursachen und Häufigkeit
Ursache für eine altersbedingte Makuladegeneration ist ein gestörter Stoffwechsel in der Netzhaut. Risikofaktoren sind eine genetische Prädisposition, intensive Sonnenbestrahlung und Nikotinmissbrauch.
In den Industrieländern ist die Makuladegeneration am häufigsten für starke Sehbehinderungen bei älteren Menschen verantwortlich, wobei die Häufigkeit mit dem Alter zunimmt:
- zwischen 65 und 75 Jahren ist etwa eine von 100 Personen betroffen
- über 85 Jahren sind 10 bis 20 von 100 Personen betroffen
Dabei ist die trockene AMD – als erste Stufe – häufiger als die feuchte.
Verzeichnis der Studien und Quellen
Bach B. Melatonin scheint der Entstehung und dem Progress einer Altersabhängigen Makuladegeneration entgegenzuwirken. Ärzte Zeitung (online). 30.08.2024. https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Melatonin-scheint-der-Entstehung-und-dem-Progress-einer-AMD-entgegenzuwirken-451693.html
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Altersabhängige Makuladegeneration (AMD). Stand: 13. März 2024. https://www.gesundheitsinformation.de/altersabhaengige-makuladegeneration-amd.html – zuletzt abgerufen am 24.10.2024
Jeong H et al. Melatonin and Risk of Age-Related Macular Degeneration. JAMA Ophthalmol. 2024 Jul 1; 142(7): 648-654. doi: 10.1001/jamaophthalmol.2024.1822 https://jamanetwork.com/journals/jamaophthalmology/article-abstract/2819801
Yi C et al. Effects of melatonin in age-related macular degeneration.
Ann N Y Acad Sci. 2005 Dec; 1057: 384-92. doi: 10.1196/annals.1356.029. https://nyaspubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1196/annals.1356.029