Ballaststoffe sind mehr als nur „Ballast“

Die Wirkungen von Ballaststoffen auf den Darm und die Gesundheit

Ballaststoffreiche Lebensmittel
Ballaststoffe haben viele unterschiedliche Wirkungen, doch eines gemein: Sie fördern unsere Gesundheit. Bild: simonidadjordjevic/iStock/Getty Images Plus

Was sind Ballaststoffe?

Ballaststoffe sind unverdauliche Pflanzenbestandteile – meist Kohlenhydrate – in der Nahrung. Sie werden im Darm nicht aufgenommen. Darum galten Ballaststoffe lange wortwörtlich als reiner „Ballast“. Doch heute ist klar, dass sie für die Darmgesundheit unentbehrlich sind. Ihre positiven Wirkungen reichen über einen puren Sättigungseffekt weit hinaus. Sie können sogar zur Vorbeugung und Behandlung von Erkrankungen einen wichtigen Beitrag leisten. Dazu muss man allerdings wissen, wie und wann man welche Ballaststoffe einsetzt.

Die therapeutische Wirkung der Ballaststoffe wird derzeit nicht voll ausgeschöpft. In Deutschland nehmen die Menschen außerdem im Durchschnitt zu wenige Ballaststoffe zu sich, um von den positiven Wirkungen zu profitieren. Dabei ist es sehr einfach, sie in Form von Präparaten gezielt in die tägliche Ernährung und Therapie zu integrieren.

Welche Ballaststoffe gibt es und was können sie?

Wie bei Nährstoffen auch gibt es bei Ballaststoffen verschiedene Kategorien. Sie werden hinsichtlich ihrer Größe und Löslichkeit in zwei Hauptgruppen unterteilt:

Lösliche Ballaststoffe: Sie lösen sich in Wasser, dicken an oder bilden Gele. Häufig eingesetzte Stoffe sind zum Beispiel Inulin, Pektin oder Hemizellulosen, resistente Stärke Typ 3, Glucomannan, Akazienfaser sowie Galakto- und Fructooligosaccharide. Sie können von den Bakterien im Dickdarm zersetzt werden. Die dabei entstehenden Stoffwechselprodukte fördern das Wachstum nützlicher Darmbakterien. Besonders resistente Stärke Typ 3 verbessert die Vermehrung gesundheitsförderlicher Laktobazillen und Bifidobakterien. Man nennt diese Gruppe an Ballaststoffen daher auch Präbiotika.

Unlösliche Ballaststoffe: Sie nehmen zwar Wasser auf und quellen, bleiben aber faserig.Hierzu zählen Stoffe wie Zellulose, einige Hemizellulosen und Lignin. Diese werden kaum von den Darmbakterien fermentiert. Dafür bleiben sie während der ganzen Passage durch den Verdauungstrakt erhalten und füllen den Darm. Das hat eine günstige Wirkung auf die Darmwand und die Verdauungstätigkeit.

Wirkungen von Ballaststoffen auf Stuhlgang und Darmflora

Ballaststoffe haben durch ihre pure Anwesenheit Einfluss auf den Stuhlgang, dessen Wassergehalt und die Darmflora. Sie haben also eine direkte Wirkung auf die Verdauung:

  • Verbesserung der Sättigung: Eine ballaststoffreiche Mahlzeit wird länger gekaut. Durch die Bindung von Wasser aus dem Speichel quellen Ballaststoffe bereits im Magen auf. Dies füllt den Magen und lässt den Nahrungsbrei zähflüssiger werden. Im Endeffekt wird der Mageninhalt dann langsamer an den Darm abgegeben. Es stellt sich schneller ein Sättigungsgefühl ein, welches gleichzeitig länger anhält. Daher werden Ballaststoffe bei Übergewicht eingesetzt.
  • Erweichung des Stuhls: Durch die wasserbindende Eigenschaft von Ballaststoffen wird der Stuhl weicher, sodass man Verstopfung damit vorbeugen oder behandeln kann. Sie erhöhen zudem die Gleitfähigkeit des Stuhls im Darm. Das erleichtert den Transport und die Ausscheidung. Bevorzugt werden hierbei lösliche Ballaststoffe eingesetzt, etwa aus Flohsamen.
  • Anregung der Darmbewegung: Durch Ballaststoffe wird der Stuhl voluminöser. Das aktiviert die Darmbewegung und erleichtert den Transport. Dadurch wird die Durchgangszeit der Nahrung verkürzt und Verstopfung vorgebeugt.
  • Verbesserung der Darmflora: Wenn Bakterien die löslichen Ballaststoffe nutzen, entstehen die kurzkettigen Fettsäuren Acetat, Butyrat und Propionat. Sie aktivieren einen trägen Darm und schaffen ein saures Milieu. Es hemmt das Wachstum von krankheitserregenden Bakterien.

Ballaststoffe beeinflussen den Stoffwechsel

Ballaststoffe nehmen indirekt Einfluss auf den Stoffwechsel. Damit haben sie für die Behandlung von Zivilisationserkrankungen eine wichtige Bedeutung:

  • Senkung des Cholesterinspiegels: Einige Ballaststoffe wie Pektine oder Beta-Glucane binden Gallensäuren im Darm und entziehen sie dem Körper. Um die verloren gegangenen Gallensäuren neu zu produzieren, ist Cholesterin aus dem Blut nötig, sodass der Cholesterinspiegel sinkt.
  • Verbesserung des Zuckerstoffwechsels: Ballaststoffe verlangsamen die Verdauung. Dadurch steigt auch der Blutzuckerspiegel langsamer an. Dann kann der Körper den Zuckerstoffwechsel besser regulieren. Eine Übersichtsarbeit zeigt, dass Ballaststoffe bei Diabetes den Nüchtern- und Langzeitblutzucker senken. Auch die Ausschüttung von Insulin nach einer Mahlzeit wird so gesenkt, wodurch die Bauchspeicheldrüse geschont wird.
  • Unterstützung des Immunsystems: Lösliche Ballaststoffe fördern die Bildung antientzündlicher kurzkettiger Fettsäuren wie Butyrat. Butyrat stabilisiert die Darmbarriere und entlastet damit die Immunabwehr. Außerdem aktivieren Darmbakterien das Immunsystem. Dies ist wichtig für das Wohlbefinden, die allgemeine Gesundheit, bei stillen Entzündungen oder konkreten Entzündungen wie chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.
  • Entlastung der Leber und Niere: Eine gesunde Darmflora verdrängt Bakterien, die Giftstoffe wie Ammoniak erzeugen. Sie dichtet die Darmwand ab, sodass weniger Gifte und Bakterien ins Blut kommen. Daneben binden Ballaststoffe Gifte im Darm. Sie werden dann mit dem Stuhl ausgeschieden und müssen nicht von Leber und Niere entgiftet werden. Dies entlastet die beiden Organe.
  • Schutz der Darmschleimhaut: Es profitiert auch die Darmschleimhaut, da Ballaststoffe krebserregende Giftstoffe binden und sie schneller zur Ausscheidung bringen. Beobachtungsstudien zeigen: Wer mehr Ballaststoffe isst, hat ein geringeres Darmkrebsrisiko. Daneben verbessert Butyrat die Ernährung, Dichtigkeit und Regeneration der Darmschleimhaut. Auch das saure Milieu ist gut für die Schleimhaut.

Fazit: Nutzen für die Gesundheit größer als früher angenommen

Ballaststoffe sind zusammengefasst kein Ballast – sondern nützliche Stoffe. Sie helfen, die Gesundheit zu erhalten und Zivilisationserkrankungen zu bekämpfen. Empfehlenswert ist eine tägliche Zufuhr von mindestens 30 Gramm. Man sollte bewusst zu Vollkornprodukten greifen, da diese einen höheren Ballaststoffanteil haben als Weißmehlprodukte. Weitere ballaststoffreiche Lebensmittel sind zum Beispiel Flohsamenschalen, Leinsamen, Hafer, Obst und Gemüse.

Schafft man dies nicht, gibt es Präparate mit Ballaststoffen, um Mahlzeiten gezielt anzureichern. Die empfohlene Dosis liegt meist zwischen 10 und 20 Gramm. Beachten sollte man jedoch, dass man sie situationsgerecht einsetzt: Vereinfacht gesagt, sind lösliche Ballaststoffe am besten, wenn die Darmflora unterstützt werden soll. Für einen therapeutischen Effekt müssen sie regelmäßig und in ausreichender Menge ergänzt werden. Denn nur so werden alle gesundheitlichen Aspekte abgedeckt.

Neben der gewünschten Wirkung kann es bei der Wahl des passenden Ballaststoffes auch auf die individuelle Verträglichkeit ankommen – optimalerweise berät ein Mikronährstoff-Experte dabei.

Info

Quellende Ballaststoffe wie Floh- und Leinsamen dürfen nicht zeitgleich mit Medikamenten eingenommen werden, da sie die Aufnahme von Medikamenten im Darm beeinträchtigen können. Deshalb ist ein Einnahmeabstand von mindestens zwei Stunden empfehlenswert.

Verzeichnis der Studien und Quellen

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Über die Autorin

Dr. med. Elke Mantwill

Frau Dr. med. Mantwill ist niedergelassene Fachärztin für Allgemeinmedizin. Sie erwarb die Zusatzbezeichnungen in den Bereichen Ernährungsmedizin, Sportmedizin, Phlebologie und Akupunktur. Die Tätigkeitsschwerpunkte in ihrer allgemeinmedizinischen Praxis sind Ernährungs- und Sportmedizin. Seit 2000 beschäftigt sie sich mit der Orthomolekular-Medizin und ist seit 2002 als Referentin im Bereich der Ernährungs- und Orthomolekular-Medizin aktiv. Als begeisterte Ausdauersportlerin führt sie zudem Ernährungsberatungen für Leistungssportler durch.